Kunst auf der Flucht
Bilder aus der Sammlung Memoria
KünstlerInnen werden aufgrund ihrer Geburt, ihrer Familie, ihrer künstlerischen Tätigkeit oder ihres politischen Engagements von den in ihrem Land vorherrschenden politischen Agitationen verfemt und verfolgt. Diese die KünstlerInnen betreffende Ächtung und Rechtlosigkeit ist keineswegs eine Situation, die der Vergangenheit angehört, sondern in einigen Ländern besondere Aktualität erfährt.
Die unter den Nationalsozialisten vorherrschenden politischen Verhältnisse zwischen 1933 und 1945 verändert die Lebenssituation radikal. Deportation oder systematische Diffamierung, Ausgrenzung, Ausbürgerung, Verbannung bzw. Verfolgung bilden für viele KünstlerInnen den Alltag – sie werden ins Exil getrieben. Die gerade beginnende oder hart erarbeitete Karriere der talentierten KünstlerInnen wird jäh unterbrochen oder sogar beendet. Die als „Verschollene Generation“ benannten KünstlerInnen hatten oftmals keine Möglichkeit, ihr Talent auszubauen, um konzentriert ihren künstlerischen Impetus dauerhaft einen Namen zu geben. Mehrfachbegabungen kamen auch für den Erhalt des Lebensunterhaltes zum Tragen, um der Kreativität aus den äußeren Lebensumständen einen Raum zu geben.
Sofern es möglich war, emigrierten während der NS-Zeit die KünstlerInnen in benach-barte Länder oder nach Übersee. Häufig endete die Flucht nicht unmittelbar und trieb die Betreffenden weiter. Aufnahme und Anerkennung war in den Gastländern nicht unbedingt gewährt, so dass Internierung, Ab- oder Ausweisung vorkamen. Die Suche nach einer neuen Heimat endetete bei Überleben nach Kriegsende manchenteils wieder im ursprünglichen Agressorstaat.
Impressionismus, Expressionismus, Fauvinismus, Kubismus, Dadaismus, Neue Sachlichkeit sowie die avantgardistische Kunst wurden von der restriktiven Kunst-politik als Verfallserscheinung bezeichnet. Die Wanderausstellung „Entartete Kunst“ rechtfertigte darüber hinaus die Verfolgung „rassisch Minderwertiger“. Das Kunst-schaffen ist reglementiert und wir gegen eine Internationalisierung zugunsten der Rassenideologie des nationalsozialistischen Regimes instrumentalisiert. Die National-sozialisten haben den Anspruch auf absolute Deutungshoheit, die sich auf sämtliche Bereiche der Kunst, Musik und Literatur erstreckt. Die Mitgliedschaft in der Reichs-kulturkammer entscheidet über die Erlaubnis, künstlerisch tätig zu sein. Ausstellungen wie Auktionen werden mit Machtantritt 1933 zunehmend von „nicht-arischer“ Kunst „gesäubert“. Kulturelle Vielfalt ist unerwünscht.
In Hinsicht auf den Aufstellungsort im Richard Haizmann Museum steht die Präsen-tation auch in indirektem Bezug auf den Namensgeber des Hauses, der in innerer Emigration sich in Niebüll von seiner vorherigen Wirkungsstätte Hamburg ebenfalls zurückzog. Wie die ins Exil gegangenen Künstler leidet Haizmann unter den Repressalien der Nationalsozialisten. Ausschluss aus Künstlervereinigungen, Ausstellungsverbote, Zerstörung von Arbeiten und Einstufung der Werke als Entartete Kunst. Während der „Säuberungsaktionen“ wurden 65 Werke von Haizmann aus den Hamburger Museen entfernt, um diese zu zerstören oder zu verkaufen.
Thomas B. Schumann – Autor, Kurator, Sammler und Verleger deutscher Exil-Kultur – begegnete bereits als Jugendlicher seinem lebensbestimmenden Interesse. Neben der umfangreichen Sammlung von Exilliteratur konnte Schumann mehr als 1000 Werke von Künstlern zusammentragen, die als entartet galten oder unter der NS-Herrschaft ins Exil gehen mussten. Im Laufe der Jahre hat Schumann die umfang-reichste private Sammlung zur deutschen Exil-Kultur zusammengetragen. Er publizierte „Plädoyers gegen das Vergessen“ und „Asphaltliteratur“ und gründete vor 30 Jahren den Verlag Edition memoria, der zu diesem Zweck mehr als 40 Titel veröffentlichte. Für das Engagement erhielt Thomas B. Schumann 2017 den Hermann-Kesten-Preis des PEN, 2020 den Literatur-Taler des Literaturrates NRW und 2021 den Deutschen Verlagspreis.